Bereits drei Tage nachdem das neue Jahr begonnen hat, ziehen wir auf Tyskegård ein. Einem wunderschönen vier Seiten Hof. Auf einem Hügel gelegen, sodass man hinunter auf das Meer blicken kann. Drei Monate leben und arbeiten wir hier. Aber nicht nur das, wir lernen inspirierende Menschen kennen, es entstehen Freundschaften. Wir beschäftigen uns jeden Tag mit neuen Dingen, stellen uns unbekannten Herausforderungen und lernen in kurzer Zeit wahnsinnig viel dazu. Wir helfen dabei einen Ententümpel auszuheben, bereiten Gartenmöbel auf, verschönern und richten einen Hofladen ein, legen Beete an, entrümpeln eine Scheune und als ein Sturm über den Hof wütet, reparieren wir Dachziegel. Die Arbeit ist körperlich herausfordernd und obwohl die wöchentlichen Arbeitsstunden, durchaus überschaubar sind, machen es uns die Kälte und der eisige Westwind schwer. An manchen Tagen, wenn der Himmel und das Meer so grau sind, dass sie miteinander zu verschwimmen scheinen, krabbeln wir nach getaner Arbeit bereits nachmittags in die warmen Federbetten zurück.
Im Februar empfangen wir das erste Mal, nach so vielen Monaten auf Reisen, Besuch aus der Heimat. Julias Eltern kommen für fünf Tage auf die kleine Insel und auch zu meinen 30. Geburtstag einige Tage später, beehren uns mein Bruder und zwei liebe Freundinnen. Es sind Tage angefüllt mit Musik, Zigaretten zum Sonnenaufgang, bunten Luftballons, Schokoladenkuchen, Spaziergängen am Meer, Papierschlangen, Wunderkerzen und sehr, sehr viel Liebe.
Es ist eine wunderbare Zeit und der beste 30. Geburtstag, den ich mir nur hätte wünschen können.
Die Zeit bis Ende März gewöhnen wir uns nach und nach an die Arbeit und erleben noch viele andere schöne Dinge. Wir genießen gemütliche Pizzaabende in der Orangerie am warmen Ofen, während draußen in der kühlen Nacht die Milchstraße am Himmel steht. Wir machen sonnige Spaziergänge am Strand, genießen die dänische Saunakultur, sitzen gelegentlich am knisternden Lagerfeuer und setzen für einen Tag sogar rüber auf das Festland und flanieren durch Kopenhagen.
Die Temperaturen werden immer milder und der Frühling kündigt sich an, als es Zeit wird zu gehen. Ende März packen wir erneut unsere Sachen. Nur dieses Mal fahren wir nicht in ein neues Abenteuer, sondern zurück. Zurück nach Deutschland. Das Gefühl als wir die Grenze passieren und uns die Straßenschilder, die Fahrbahnmarkierungen und die Landschaft langsam bekannt vorkommen, ist schlimm. Das ist es nun, das Ende einer unvergesslichen Reise. Knapp 10 Monate waren wir unterwegs. 296 Tage. Wir haben vier Jahreszeiten in vier Ländern erlebt. Den wohl hellsten Sommer, den farbenfrohsten Herbst und den schönsten Winter. Wir haben den Polarkreis passiert und waren so weit im Norden, dass die Sonne im Sommer nicht unter und im Winter nicht mehr aufgeht. Wir durften tanzende Polarlichter sehen, Midsommar feiern und Hundeschlitten fahren. Haben gemütliche Rentierherden, flinke Papageitaucher und 15 Meter große Wale in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet.
Wir sind so dankbar, für all die Menschen, die unseren Weg gekreuzt haben, diese unfassbare Natur, für Elfriede die uns sicher über die endlosen Straßen getragen hat, dafür dass wir gesund geblieben sind, für jedes Lachen, ja sogar für jede Träne und jeden Streit, jede Überwindung und jedes Problem, denn sie haben uns wachsen lassen.
Kurz bevor wir die Reise antraten, wurde ich manchmal mitten in der Nacht wach und fragte mich, was zur Hölle wir hier vor haben. Wohnungslos sein. Wie verrückt. Und vielleicht ist es das auch ein bisschen gewesen. Aber ich bin so froh, dass wir es gewagt haben und gesprungen sind. Ins ungewisse Abenteuer. Denn es war das Beste, was mir jemals passiert ist und ich würde alles (Materielle) dafür hergeben es nochmal zu tun. Denn wir haben in einem Jahr so viel gelernt wie in 10 Jahren zuvor nicht. Über das Leben, die Menschen, Skandinavien, über uns.
Wie wundervoll du das geschrieben hast Tina!!!!
Mehr als Weisheit aller Weisen, galt mir reisen, reisen, reisen.
Theodor Fontane
Sehr schön geschrieben und wie immer schöne Bilder !!!
Sehr berührend geschrieben. Wir sind sehr froh, dass ihr unseren Hof gefunden habt. ❤️